Baunatal, 10-12.09.2021
…denn auch Silber glänzt ganz ordentlich – und wie!
Bettina Belau begann den silbernen Reigen am zweiten Wettkampftag – dem ersten für die DM-Starter des LAC Lübeck – mit Weitsprung-Jahresbestleistung von 4,66 m holte sie als Zweite die erste Medaille für den LAC Lübeck. Nur 20 Zentimeter fehlten der Ahrensbökerin hinter der Dresdnerin Nancy Jungmann zum Erfolg in ihrer Altersklasse W45, über Silber und die beste Weite seit Jahren freute sie sich natürlich dennoch.
Zuvor war DM-Novizin Ina Tietgen mit Leistung und Platzierung im Kugelstoßen der W50 überhaupt nicht zufrieden. Die 53jährige Bankkauffrau stand am frühen Morgen vollkommen neben sich und konnte das Antrainierte nicht wirklich ansteuern. 10,46 m und der fünfte und leider auch letzte Rang entsprechen nicht annähernd ihrer Trainingsleistung, ist aber der Nervosität vor und bei ihrem ersten DM-Start geschuldet. Das ist für ehrgeizige Athleten gar nicht so ungewöhnlich und die eigentliche Stärke zeigt sich darin, wie man mit Niederlagen umgeht, im besten Fall wirken sie als Booster für das Training und sorgen für eine „Jetzt erst recht!“-Reaktion.
Den einzigen Titel dieser Deutschen Meisterschaften und damit Gold sicherte sich Patrick Hagge über die 100 m der M35 bei leichtem Gegenwind (-0,7 m/s) hauchdünn in 11,39 s vor Rene Pascal Menk (Wuppertal), der auf 11,40 s kommt. Über 200 Meter wird ihm wegen eines Regelanwendungsfehlers der Veranstalter die Möglichkeit eines zweiten Titels verwehrt bleiben, wie weiter unten nachzulesen sein wird…
Siebte wird Bettina Belau über die gleiche Strecke im Endlauf der W45 in 14,41 s, nachdem sie im Vorlauf bereits 14,29 s auf die Bahn hingelegt hatte.
Das zweite Silber des Tages für den LAC sicherte sich Mareike Becker im Kugelstoßen ihrer neuen Altersklasse W40. Mit 12,22 m verpasste sie ihre Jahresbestmarke lediglich um drei Zentimeter. Meisterin wurde die ehemalige 18 m-Stoßerin und Olympiastarterin Nadine Kant (Hagenower SV), die auf 12,78 m kam.
Ingo Sonntag trotzte bei seinem Start mit der Kugel Schulterproblemen und langer berufsbedingter Trainingspause und stieß in der M50 die Kugel auf 12,69 m. Das reichte zwar leider nur zum sechsten und letzten Platz, aber der Fünfte stieß lediglich einen Zentimeter weiter, der Vierte auch nur acht.
Hinter der ungewohnt nervös agierenden Olympiadritten der Olympischen Spiele des Jahres 2000 in Sydney/AUS, Favoritin Kirsten Münchow (VfR Evesen, nur ein gültiger Versuch auf 45,52m), eroberte Mareike Becker im Hammerwurf der W40 ihr zweites Silber dieser Meisterschaften. Ihr immer noch nicht ganz wiederhergestellter Fuß verhinderte dabei eine durchaus mögliche Sensation, 42,23 m sind für die Umstände allerdings auch eine respektable Leistung.
Zweimal unterliegt Mareike also in ihren Disziplinen letztlich nur Olympiateilnehmerinnen; etwas, was einem sicher nicht alle Tage passiert.
Kurz nach Mareike reihte sich auch Bettina Belau mit ihrem zweiten Silber dieser Titelkämpfe in die Reihe der LAC-Edelmetaller ein. Und auch Bettina lag im Speerwurf der W45 nicht allzu weit hinter Titelträgerin Birte Rothkehl vom SC Melle 03. 30,27 m für Bettina zu 32,02 m für Birte lautet das Endresultat mit dem etwas besseren Ende für die Niedersächsin.
Über 200 m der W45 lief Bettina in 29,51 s wenig später die gleiche Zeit wie die Siebtplatzierte Karin Udelhoven aus Trier. Überlegene Siegerin war hier Jennifer Gartmann von der LG Westerwald, die die Strecke in 27,22 Sekunden zurücklegte.
War es Nachlässigkeit, Unkenntnis, Ignoranz, Willkür? Das wird wohl nicht mehr zu ermitteln sein; Fakt ist, dass LAC- Sprinter Patrick Hagge durch das komplett unsinnige Setzen der 200 m-Zeitläufe die Chance auf den Titel genommen wurde.
Die Regel 166.4 b regelt die Bahnverteilung, also das Setzen der Läufer auf die Bahnen nach ihren Zeiten. Regel 166.6 weist dabei auf vorgenannte Regel hin, wenn es sich um mehrere Läufe in einer einzigen Runde handelt, was bei Zeit-Endläufen wie in Baunatal der Fall war.
Was aber machten die Veranstalter? Sie verteilten die schnellsten Sprinter in unterschiedliche Läufe, so dass ihnen die Chance genommen wurde, gegeneinander den Schnellsten unter sich auszumachen. Patricks härtester Konkurrent Rene Pascal Menk aus Wuppertal, der ihm über 100 Meter um eine Hundertstelsekunde unterlegen war, und Patrick liefen also in ihren Läufen nicht gegeneinander, sondern nur gegen die Stoppuhr um Sieg und Titelehren!
Menks Siegerzeit im ersten von zwei Zeit-Endläufen: 23,16 s. Patricks Zeit als Sieger des zweiten Zeit-Endlaufs: auf der Anzeigentafel wurden ebenfalls 23,16 s angezeigt! Dieses wurde nach Auswertung des Zielfotos auf 23,17 s korrigiert, Menk als Sieger ausgerufen und gekürt, Paddy blieb „nur“ Rang zwei.
Patrick wollte trotz Hinweises des zuhause mitfiebernden Trainers nicht protestieren, akzeptierte das Ergebnis so wie es war. Ein Nachhaken im Wettkampfbüro stieß auf taube Ohren, man berief sich auf eine Zeitläufe gar nicht betreffende Passage der Regel 166 der Internationalen Wettkampfregeln. Hinweise auf die betreffende anzuwendende Regelpassage wurden ignoriert. Es bleibt aber der schale Nachgeschmack, dass Patrick hier ein möglicher Titel durch Nachlässigkeit – Unkenntnis, Ignoranz, Willkür? – des für das Setzen der Läufe Verantwortlichen verwehrt wurde.
Dabei war das regelwidrige Setzen der Zeitläufe nur die Spitze des Eisbergs. Schon davor zeichnete sich ein organisatorisches Desaster ab: Die Disziplin Diskuswerfen war aus angeblichen Platz- und Zeitplangründen gar nicht erst ausgeschrieben worden, was bereits im Vorwege für Irritationen und reichlich Wirbel in der Senioren-Leichtathletikszene sorgte. An den Veranstaltungstagen wurden Wettkämpfe vorgezogen, zum vorgesehenen Zeitpunkt war die Geräteabnahme zum Teil nicht besetzt, die Startreihenfolge wurde nach drei Versuchen nicht den Regeln entsprechend geändert, Nachmeldungen, so auch die unserer Starterin Bettina Belau für den Weitsprung fanden keinen Eingang in die Startlisten, mussten erst mühsam nachgewiesen werden… Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen – und dennoch: Für alle unserer Starter hat sich aus unterschiedlichen Gründen die Reise nach Baunatal gelohnt und unter dem Strich ist die Medaillenbilanz unserer fünf Teilnehmer mit einmal Gold und fünfmal Silber eine sehr achtbare!
Text: U.Mundt, Fotos: Ina Tietgen, privat